Systembetrachtung Zweirohranlagen

Teil 3: Das Rohrnetz

..., das unbekannte Wesen, gerade in Altanlagen !

 

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Bild 01

Im Neubau ist das Rohrnetz berechenbar aufgrund max. Strömungsgeschwindigkeiten (m/s), max. R-Werte (mbar/m) und der Einzelwiderstände. In Softwareanwendungen liegen diese Werte in der Regel bei max. 0,8 m/s (Wohnräume) und 1,5 mbar/m. Dies sind die üblichen Grenzwerte für den Wechsel der Rohrdimension.

Eine Berechnung im Altbau ist schon problematisch, da zu viele Parameter nicht bekannt sind:

  • Das Rohrmaterial und die Rohrlänge, der Verschmutzungszustand, die Einzelwiderstände.
  • Der (reduzierte) Volumenstrom, der sich aus der tatsächlichen Heizlast und der sich von selbst einstellenden, realen Rücklauftemperatur ergibt.

Anbei weitere Überlegungen, die für eine „Berechnung“ berücksichtigt werden müssen:

  • Der Druckverlust des Rohrnetzes einer Altanlage erreichte nie die rechnerischen Grenzwerte, da durch die materialbedingten Nennweitensprünge immer kleinere, reale Werte ermittelt würden. Reale Werte für den Volllastfall inkl. Einzelwiderstände liegen bei etwa 0,5 – 1mbar/m.
  • Betrachtet man zusätzlich die Faktoren Teillast (reduzierter Massenstrom), überhöhte Heizkurven (reduzierter Massenstrom), Überdimensionierung (reduzierter Massenstrom) und Teilnutzung (Gleichzeitigkeitsfaktor) von Gebäuden (reduzierter Massenstrom in Teil-/Steigsträngen), so ergeben sich noch einmal deutlich reduzierte Druckverluste im Rohrnetz.
  • Bei umgebauten Schwerkraftanlagen und nachweisbarer Überdimensionierung der Heizkörper (große Spreizung, kleine Wassermengen) ist von einem berechenbaren Druckverlust des Rohres überhaupt nicht mehr zu reden.
  • Wird nun auch noch die Heizlast reduziert (Stichwort: EnEV – 30%, CO2 Gebäudesanierungsprogramm – KfW), dann wird es langsam philosophisch …..

Und nun ? Der Lösungsansatz für den Wohnungsbau:

Annahme: Mittlerer R-Wert + Zuschläge für Einzelwiderstände (50%), also dp Netz = 1,5 * R* l
In Publikationen werden oft mittlere R-Werte zwischen 0,5 … 1,0 mbar/m genannt.
Multipliziert mit dem Faktor 1,5 (Einzelwiderstände) ergeben sich somit Werte zw. 0,75 und 1,5 mbar/m. In der Praxis sind diese Werte sicherlich wesentlich niedriger.

Schon "theoretisch" sind die R-Werte deutlich geringer als die angenommenen Grenzwerte. Als Beispiel ein Auszug aus einem Rohrnetzberechnungsprogramm (das gute, alte MW-Rohrnetz ).

Obwohl der Auslegungsgrenzwert R max. mit 1,5 mbar/m definiert wird, ergeben sich, bedingt durch die Abstufungen der Rohrnennweiten, deutlich kleinere Auslegungswerte (siehe Werte im roten Rahmen). Und dies bei Volllast ohne die Berücksichtigung eines Gleichzeitigkeitsfaktors !

Mein Ansatz: 0,5 mbar /m oder einfach 1 mbar/m (Vor- und Rücklauf)
Mit „Angstzuschlag“: : 0,75 mbar/m oder 1,5 mbar/m (Vor- und Rücklauf)
 
Ein Gefühl für die Praxis:
Ein Wohnhaus mit 3 Geschossen, 20m Rohrlänge bis zum letzten, ungünstigsten Heizkörper.
1 mbar/m (Vor- und Rücklauf) ergeben einen Druckverlust von 20 mbar
1,5 mbar/m (Vor- und Rücklauf) ergeben einen Druckverlust von 30 mbar

D.h. es stehen 10 mbar mehr oder weniger am letzten Thermostatventil an, die gedrosselt werden müssen bzw. zu einer Minderleistung führen könnten. Für die  Praxis völlig unbedeutend !

Fazit: Die „Berechnung“ einer Altanlage im klassischen Sinn wie bei einer Neuanlage ist aufgrund der vielen Unbekannten nur bedingt möglich. Hier ist einerseits viel Erfahrung des Fachmanns gefragt, andererseits relativieren sich angenommen Grenzwerte sehr schnell, wenn man sich die Auswirkungen auf die restlichen Anlagenkomponenten (in erster Linie die Voreinstellung am Thermostatventil) vor Augen hält. Hier muss man einfach mit Toleranzen leben und den Aufwand im Verhältnis zum Nutzen abwägen.

Mein Tipp: Der Druckverlust Online-Rechner oder das Freeware-Programm zur schnellen Rohrdimensionierung.