Der (Heiz)wärmebedarf

Theorie und Praxis

Hier geht es darum, überschlägig den (Heiz)wärmebedarf, oder besser den Jahresheizwärmebedarf zu ermitteln, um danach den Energieverbrauchskennwert Ihres Gebäudes zu errechnen. Dieser Energieverbrauchskennwert dient zunächst einmal als Vergleichswert, wie gut oder schlecht Ihr Gebäude aus energetischer Sicht zu beurteilen ist.

Aber was versteht man denn unter dem Begriff des Jahresheizwärmebedarfs? Nun, ganz einfach: Die Wärmemenge, die Sie benötigen, um Ihr Haus ein Jahr lang zu heizen. Um diese Wärmemenge zu erzeugen, benötigen Sie den Wärmeerzeuger, z.B. einen Heizkessel, der mit Öl oder Gas betrieben wird. Die "verheizte" Brennstoffmenge an Öl oder Gas dient zur Berechnung der erzeugten Wärmemenge, der verrichteten Arbeit (im Rahmen der Physik eine Energiemenge) mit der Einheit KWh (Kilowattstunden).

Da Sie in der Regel das Warmwasser (Trinkwasser, Bad, Dusche) auch mit dem Heizkessel erzeugen, muss diese Energiemenge abgezogen werden (Erfahrungswert: 1000 kWh je Bewohner). Um einen Vergleich unterschiedlich großer Gebäude zu ermöglichen, bezieht sich der Energieverbrauchskennwert auf 1 m² beheizte Wohnfläche. So gehen Sie vor:

Die drei Schritte
1. Kilowattstunden (KWh) ermitteln
2. Warmwasser herausrechnen, falls es über die Heizung erzeugt wird
3. Energieverbrauchskennwert bestimmen: Verbrauch pro Quadratmeter und Jahr (KWh/m²a)

Wie einfach dies geht, zeigt das folgende Beispiel:
Als Basis für dieses Rechenbeispiel dient ein Einfamilienhaus mit vier Bewohnern und 140 m² beheizter Wohnfläche. Der Jahresverbrauch der letzten 5 Jahre betrug im Durchschnitt 3600 Liter Heizöl.

So gehen Sie vor
Jahresverbrauch Heizöl (Liter) oder Erdgas (m³) ermitteln und mit 10 multiplizieren = Ergebnis in kWh
Vom Ergebnis je Einwohner 1000 KWh abziehen
Kilowattstunden (kWh) geteilt durch die beheizte Wohnfläche (m²)

Das Rechenbeispiel
3600 Liter Heizöl x 10 = 36000 kWh
36000 kWh – 4000 kWh = 32000 kWh
32000 kWh / 140 m² = 229 kWh/m²a

Das Ergebnis (= Energieverbrauchskennwert) von 229 kWh/m²a wird beispielhaft auf dem "Bandtacho" als Vergleichswert eingetragen.

(Die modellhaft ermittelten Vergleichswerte unter dem Bandtacho beziehen sich auf Gebäude, in denen die Wärme für Heizung und Brauchwasser durch Heizkessel im Gebäude bereitgestellt werden).

Wenn Sie nun auf diese Weise Ihren Energieverbrauchskennwert errechnet haben, vergleichen Sie diesen mit den Referenzwerten auf dem Bandtacho. Sie haben nun zumindest eine "Orientierung", wie hoch der Energieverbrauchskennwert im Vergleich zu anderen Gebäuden ist. Probieren Sie es am besten gleich einmal hier aus!

Das Ergebnis ist jedoch stark vom Nutzerverhalten abhängig. Sie können sich leicht vorstellen, dass z.B. bei 2 Reihenmittelhäusern, die baupysikalisch vollkommen identisch sind, ganz unterschiedliche Ergebnisse zustande kommen können.

  • Haus 1: 4 Personenhaushalt, 2 Erwachsene, 2 Kleinkinder, eine Person berufstätig, Urlaub im Sommer
  • Haus 2: 2 Personenhaushalt (Kinder außer Haus), beide berufstätig, Urlaub nur im Winter

Deshalb an dieser Stelle gleich ein Wort zum Energiepass: Viel mehr sagt der verbrauchsorientierte Energiepass (inkl. realer Werte für den Warmwasserbedarf und Klimafaktor) für Wohngebäude auch nicht aus. Den bekommen Sie zwar schon für kleines Geld, aber für den Fall einer Anlagenoptimierung ist dieser vollkommen nutzlos. Welcher Unsinn daraus folgt, lesen Sie hier in einem Bericht des Focus. Sie benötigen einen bedarfsorientierten Energiepass, der vom Fachmann, dem Energieberater, zu erstellen ist! Nur auf dieser Basis sind konkrete Maßnahmen zur Anlagenoptimierung möglich. Weitere Infos zum Energiepass finden Sie hier. Der Unterschied zwischen verbrauchs- und bedarfsorientiertem Energiepass lässt sich am besten am Beispiel Auto verdeutlichen. Wenn Sie heute einen PKW kaufen, dann spielt für Sie doch sicherlich der Verbrauch eine entscheidende Rolle. Das geht am besten mit wenig Gewicht (kleineres Modell), hocheffizienten Motoren und ohne Allradantrieb Dazu gibt es den Normverbrauch (Liter/100 km) als Vergleichswert zu anderen Modellen. Dieser Normverbrauch des Autos ist vergleichbar mit dem berechneten Energiebedarf Ihres Hauses und ist im bedarfsorientierten Energiepass, der vom Fachmann / Energieberater erstellt wird, dokumentiert. Wie hoch der tatsächliche Verbrauch Ihres neuen Sparmobils ist, hängt natürlich auch von Ihrem "Fahrstil", dem Nutzerverhalten ab, genauso wie der tatsächliche Verbrauch Ihres Hauses auch vom "Heizstil" abhängt.
Anmerkung: In der Grafik fehlt der direkte Vergleich: Verbrauch PKW multipliziert mit den tatsächlich gefahrenen Kilometern und beim Gebäude der spezifische Verbrauch multipliziert mit der real beheizten Fläche!

Für den Fachmann stellt sich aber oft die Frage, ab welchem "Grenzwert" man besser in die Anlagentechnik und den hydraulischen Abgleich oder eine Reduzierung der Heizlast investieren soll?

Nun, eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht, aber man kann schon sagen, dass bei hohen Energieverbrauchskennwerten immer zuerst eine deutliche Reduzierung der Heizlast anzustreben ist. Drastisch gesagt heißt das: Es macht überhaupt keinen Sinn, in einer "Hütte", durch die es zieht und kalte Wandoberflächen ein Gefühl der Unbehaglichkeit hervorrufen, in teure Anlagentechnik zu investieren. Das rechnet sich nie! Da macht es mehr Sinn, zunächst die Gebäudehülle besser zu isolieren.


Ich stelle einmal den Grenzwert von 120 kWh/m²a + X der Wärmeschutzverordnung von 1995 zur Diskussion. Diese Tendenz belegen auch die Untersuchungen der Optimusstudie von Prof. Dr. Wolff und seinen Mitarbeitern. Daraus geht hervor, dass die Energieeinsparpotentiale durch die Anlagenoptimierung bei neueren Gebäuden mit einem guten Wärmeschutz wesentlich besser sind als bei älteren Häusern.

D.h. gerade bei neuen Gebäuden ist ein erhebliches Einsparpotential allein durch den hydraulischen Abgleich, neue Hocheffizienzpumpen und die Optimierung der Regelung möglich.

Fazit: Es ist auch für den Laien möglich, sich zunächst selbst ein Bild vom Zustand seines Hauses bzgl. des Energieverbrauches zu machen. Weitere Maßnahmen wie die Erstellung eines bedarfsorientierten Energiepasses mit konkreten Empfehlungen zur Gebäudesanierung (Verbesserung des Wärmeschutzes und Vorschläge zur Optimierung der Anlagentechnik) gehören in die Hände eines Fachmanns, dem Energieberater.

Einen guten Überblick über den energetischen Zustand eines Gebäudes gibt Ihnen die folgende Broschüre: 

 Anlagenbeispiele im Vergleich