12.03.2018

Die neue, ineffiziente Öffnung für die Energieberatung

Ja, Sie haben richtig gelesen: Ineffizient! Schade, denn es wäre doch so einfach, einen Weg zu beschreiten, der in der Praxis auch funktionieren würde.

Aber der Reihe nach: Zum 1.12.17 treten zwei neue Richtlinien in Kraft, durch die der Kreis der antragsberechtigten Energieberater erweitert wird. Dabei handelt es sich um die Energieberatung für Wohngebäude (vorher Vor-Ort Beratung) und die Energieberatung Mittelstand. Erweitert bedeutet hierbei, dass die personenbezogene, unabhängige Energieberatung hier künftig nicht mehr gefordert wird. Oder anders formuliert: Liegt die geforderte Qualifikation als Energieberater vor, kann diese Beratung nun jeder durchführen, der neutral und objektiv ist und die Haftung dafür übernimmt.

Aber ist denn diese (zusätzliche) Beratungsneutralität wirklich die Stellschraube, um die seit Jahren rückläufige Anzahl an Beratungen zu kompensieren und durch Fördermaßnahmen die Investitionen in Energieeffizienz durch mehr Förderanträge zu steigern?

Aus Sicht der Anlagentechnik definitiv nicht!

Lassen Sie mich das Problem kurz erklären. Energieeffizienz bedeutet im Lebenszyklus eines Wohngebäudes (Passivhäuser in Ehren, aber im Bestand spielt die Musik) den permanenten Austausch von Komponenten und die Optimierung des Systems Haus, bestehend aus der Gebäudehülle und der Anlagentechnik. Natürlich gilt hier weniger ist mehr, sprich weniger Heizlast durch Isoliermaßnahmen und eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung sparen Geld und reduzieren CO2, aber diese Maßnahmen sind in der Praxis oft nur schwer und mit hohem Aufwand und Kosten umsetzbar. Wäre da nicht die Optimierung im Bestand eine wichtige Stellschraube für mehr Energieeffizienz?

Wir brauchen einen Hausarzt

Dies zu bewerten, zu analysieren ist die Aufgabe des Hausarztes. Erkennen Sie den Zusammenhang? Den Vorgang der Anamnese? Ein guter Arzt sucht nach den Ursachen!

Gut, Sie können auch den Begriff des Energiearchitekten verwenden, der sich mit dem Thema Nachfrage (Heizlast) und Angebot (Heizleistung) im Einklang beschäftigen sollte. Davon gibt es schon einige, aber viel zu wenige, um über 18 Mio. Wohngebäude zu bewerten und dem Anlagenbetreiber Vorschläge zur Verbesserung und Optimierung zu unterbreiten.

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen 3 Vorgaben erfüllt sein:

  • Eine qualifizierte Ausbildung
  • Zeit für die Umsetzung (die energetische Bewertung)
  • Eine adäquate Bezahlung

Zu Punkt 1: Um einen Energiearchitekten auszubilden benötigen wir zunächst einmal dieses Ausbildungsfach. Und dieses gibt es heute nicht, zumindest nicht als eine Komponente der Weiterbildung. Zwischen der Kenntnis der Funktion einer Vielzahl von Komponenten und deren wechselseitiger Beeinflussung im realen Betrieb besteht schon ein großer Unterschied. Hinzu kommt noch die vierte Dimension - die Zeit: Anlagendynamik verstehen setzt ein Denken im System voraus. Wie kann man dies lösen? Nur durch einen Kraftakt an Aus- und Weiterbildung für die primäre Zielgruppe der Energieberater und allen interessierten Fachleuten aus der Planung und dem Gewerk Heizungs- und Anlagentechnik.

Zu Punkt 2: Qualität erfordert Zeit. Zeit zu lernen und Zeit für den Kunden. Dieser Aufwand muss gesehen und honoriert werden. Gesehen beim Kunden, dass der qualifizierte Fachmann sich um ein Konzept bemüht, das zum Anspruch des Kunden passt: Sachlich fundierte, verständliche Aussagen auf der Basis einer nachhaltig ökonomischen UND ökologischen Betrachtung.

Zu Punkt 3: Mein Hauptanliegen ist aber die Bezahlung der Dienstleistung; einer Dienstleistung, deren Umfang gerade im Themenbereich hydraulischer Abgleich und Systemoptierung durch die KFW und BAFA umfänglich klar und eindeutig durch die Verfahren A und B beschrieben ist. Es muss hier noch einmal deutlich gesagt werden, dass die Dienstleistungen raumweise Heizlastberechnung und Hydraulischer Abgleich / Systemoptimierung zum Pflichtprogramm bei so gut wie jeder Sanierungsmaßnahme, egal ob gefördert oder nicht, gehört.

Flaschenhals Kapazität

Nach fast 100 Fachveranstaltungen mit nahezu 2000 Schulungsteilnehmern in den letzten 2 Jahren gibt es für mich nur eine Schlussfolgerung: Wenn es schon viel zu wenig Fachleute gibt, dann müssen wir einen Anreiz schaffen, dass zunächst diese Fachleute ihr Wissen auch bezahlt bekommen. Deshalb spreche ich mich eindeutig für einen festen Förderbetrag für Verfahrens Baus, damit der zweifelsohne zu tätigende Aufwand auch honoriert wird und es nach und nach mehr Hausärzte gibt. Im Gegenzug können durch eine Kooperation mit den ausführenden und geschulten Handwerkern möglichst viele Objekte optimiert werden.

Lassen Sie uns doch einfach Kopfarbeit und Handarbeit im Sinne der Kundenzufriedenheit beider unverzichtbar wichtiger Partner kombinieren. Wäre das nicht eine tolle Lösung? Schreiben Sie mir Ihre Meinung unter fachleute@hydraulischer-abgleich.de

Das Einsparpotential

Damit Sie auch wissen, warum dies/mir dies alles so wichtig ist, ein kleines Rechenbeispiel zum Schluss:

  • Ca. 30% der Endenergie werden im Haushalt verbraucht
  • Davon 75% für die Heizung (= 22,5% Endenergie)
  • Das Einsparpotential einer Systemoptimierung liegt bei 10-15%
  • D.H. wir können nur mit einer Optimierung bestehender Anlagen in Wohngebäuden 2,5-3,5% an Endenergie einsparen!

Im bin mir sicher, dass in den Sparten Gewerbe und Industrie noch ähnlich ungenutzte Potentiale schlummern. Warum nutzen wir nicht auch hier unser Wissen für eine Entlastung unserer Umwelt!

Fangen wir doch gleich damit an!

Bernd Scheithauer



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