Hydraulischer Abgleich Optimierung - Heizkurve

Die Heizkurve im Betrieb optimieren / neu berechnen

Die Optimierung im Betrieb ist ein ganz wichtiger Bestandteil für die Steigerung der Anlageneffizienz. Wie Sie die Heizkurve einstellen und welche Auswirkungen dies im allgemeinen hat, können Sie in der Systembetrachtung / Teil 1: Heizkurve / Vorlauftemperatur nachlesen. In diesem Kapitel geht es um Zahlen und Fakten mit dem Ziel einer praxisbezogenen Heizkurvenoptimierung.

Ein kleiner Rückblick

In Schritt 1 - Zonierung  und Schritt 2 - Begrenzung der Abgleichstrategien von Bestandsanlagen habe ich Ihnen die Vorgehensweise bzw. die Berechnungsansätze für den hydraulischen Abgleich einer Altanlage aufgezeigt. Die Basis der Auslegung ist ein definierter Bezugspunkt (Anlagenabschnitt) und ein angenommener Differenzdruck über dem Thermostatventil. Es ging dabei nur um die Festlegung der hydraulischen Kenndaten!

Um jedoch einen Voreinstellwert zu berechnen, benötigen wir neben dem Differenzdruck am Thermostatventil den Massenstrom am Heizkörper (siehe Formeln). Dieser Massenstrom ist natürlich abhängig von der gewünschten Leistung und den geplanten oder bekannten Systemtemperaturen, also der Vorlauf- bzw. (realen) Rücklauftemperatur.

Millionen von sanierungsreifen Heizungsanlagen wurden bis zur Verfügbarkeit von NT Kesseln in den 80iger Jahren mit einer Spreizung von 90/70°C "geplant" und die Heizkörper anschließend nach der Nischengröße der Fenster (über)dimensioniert  . Ob dies nun gut oder weniger gut, war spielt heute keine Rolle mehr. Fakt ist, dass fast alle Anlagen aufgrund der großzügigen Dimensionierung der Heizkörper und teilweise durchgeführten Verbesserungen des Wärmeschutzes (neue Fenster, Teilisolierung) heute mit NT-Kesseln (und einer max. Kesseltemperaturbegrenzung von 70/75°C) einwandfrei "laufen". Falls Sie noch eine Mischersteuerung an einem 90°C Kessel haben: Bitte gleich den Kessel tauschen - das Teil gehört jetzt wirklich zum "Alteisen".

Mein Ansatz

Wenn keine umfassende Verbesserung des Wärmeschutzes am Gebäude durchgeführt wurde und ein NT-Kessel mit einer max. Kesseltemperatur von 70°C im Betrieb ist, führen Sie die Berechnung mit Tv/Tr: 70/55°C und den vorhandenen Heizkörpern durch. Sind die Betriebsdaten, also die Einstellung der Heizkurve bekannt, kann ebenso mit diesen Werten gerechnet werden (bekannte Vorlauftemperatur und gewünschte Rücklauftemperatur).

Annahme: Die errechnete Heizkörperleistung ist nahezu identisch mit der realen Heizlast pro Raum.

Die Vorlauftemperatur ist garnicht einmal so weit von geplanten Neuanlagen mit Systemtemperaturen wie 65/40°C entfernt; sprich Bereitschafts- bzw. Verteilverluste für die Wärmeerzeugung und Verteilung liegen auf vergleichbarem Niveau. Liegt die Vorlauftemperatur zu hoch, ergeben sich automatisch geringere Rücklauftemperaturen bzw. eine größere Spreizung (ev. auf Kosten der Regelgenauigkeit der Thermostatventile), was auf Sicht der Brennwertnutzung (bei einem neuen Brennwertgerät) sogar positiv ist. Details hierzu können Sie hier im Abschnitt Temperaturniveau nachlesen.

Warum also die Vorlauftemperatur nach der Berechnung im Betrieb absenken?

Zunächst müssen wir 2 Fälle unterscheiden

  • Fall 1: Die Heizlast je Raum ist (fast) identisch mit der Heizkörperleistung
  • Fall 2: Die Heizlast je Raum ist deutlich geringer als die Heizkörperleistung aufgrund eines verbesserten Wärmeschutzes. Es wurde eine Heizlastberechnung durchgeführt. 

Zu Fall 1: Nun, wir haben aufgrund realistischer Randbedingungen Annahmen bzgl. der Systemtemperaturen getroffen und die Berechnung der Voreinstellwerte durchgeführt. Anschließend wird das Temperaturniveau langsam in kleinen Schritten bei unterschiedlichen Lastzuständen ( z.B. +10°C und - 5 °C) abgesenkt, bis es in jedem Raum aufgrund der Nutzungsbedingungen ausreichend (schnell) warm wird. Natürlich hat diese Methode auch einen Haken: Liegen stark abweichende  Überdimensionierungsfaktoren der einzelnen Heizkörper vor, so können Sie die Vorlauftemperatur nur soweit absenken, bis der am wenigsten überdimensionierte Heizkörper gerade noch die erforderliche Leistung abgibt. Da hilft nur eins: Den Heizkörper durch einen größeren ersetzen, aber bitte nachrechnen!

Fall 2: Sie haben eine (vereinfachte) Heizlastberechnung bei einem Gebäude durchgeführt und sind zu deutlich niedrigeren Ergebnissen (Heizlast je Raum) gekommen als die vorhandene Leistung der Heizkörper im Planungsfall! Dann müssen Sie das Temperaturniveau natürlich deutlich absenken.

Dazu eine Frage zur Nachrechung der Heizlast von bestehenden Gebäuden: Wie kommen Sie zu einem verlässlichen U-Wert eines Hohlblocksteines aus dem Jahr 1963 ? Wie hoch ist die Fehlertoleranz bei der Berechnung ? Werden Isoliermaßnahmen mit bekannten Kennwerten aktueller Baustoffe durchgeführt, ist dies kein Problem. Aber welchen praktischen Sinn machen aufwendige Berechnungen in der Anlagentechnik, wenn die Basis (Heizlast) schon eine extrem hohe Fehlertoleranz mit sich bringt?

Müssen Sie noch einmal die Voreinstellwerte "nachrechnen" bei einer Reduzierung der Heizlast und der notwendigen Absenkung der Heizkurve / Vorlauftemperatur?

In den meisten Fällen nicht. Wichtig: Die Heizkörperüberdimensioniergsfaktoren müssen in etwa gleich sein. Ist dies NICHT der Fall (große Unterschiede) muss weiter gerechnet werden!  

Sehen Sie sich dazu bitte folgende Tabelle an: Was passiert bei konstanter Vorlauftemperatur und reduzierter Heizlast?

Sie sehen zwei Heizkörper mit einer Leistung von 558 bzw. 1267 Watt bei einer Auslegungstemperatur von 70/55°C. Die Voreinstellwerte betragen im Auslegungsfall (100% Heizlast) 3,5 bzw. 6 (siehe jeweils Zeile 1). Reduzieren wir nun die Heizlast im Raum um z.B. 30% (entspricht 70% Heizlast) bei konstanter Vorlauftemperatur, so  erhalten wir aufgrund der deutlich reduzierten Massenströme deutlich größere Spreizungen am Heizkörper. Das Resultat: Die Voreinstellwerte würden merklich kleiner: 1,5 bzw. 2,5 - keine gute Lösung. Es müsste nochmals gerechnet werden, kleinere Voreinstellwerte bedeuten in der Praxis größere Anfälligkeit gegenüber Verschmutzungen und das Temperaturniveau ist zu hoch (Verteil- bzw. Bereitschaftsverluste). Ändert man nun nichts, sprich Voreinstellung und Vorlauftemperatur bleiben unverändert, verschlechtert sich das Regelverhalten des Thermostatventils merklich. Das Überangebot an Leistung versucht der selbsttätige Regler (das Thermostatventil) zu kompensieren, indem es weiter schließt. Das xp wird kleiner, im Extremfall ergibt sich ein "Auf-Zu" Verhalten.

Dass es auch anders geht,  zeigt die folgende Tabelle: Die Vorlauftemperatur wird aufgrund der reduzierten Heizlast abgesenkt.

Bei identischen Vorraussetzungen wird in Abhängigkeit zur Verringerung der Heizlast die Vorlauftemperatur gesenkt. Sehen Sie sich nun die Voreinstellwerte an. Selbst bei einer um 30% reduzierten Heizlast ändert sich der Voreinstellwert nur um 0,5. Dies ist für die Praxis ohne weiteres zu vernachlässigen. Als Basiswert für die Absenkung der Vorlauftemperatur gilt: Ausgehend vom Temperaturniveau 70/55° wird bei einer Reduzierung der Heizlast um jeweils 10% die Vorlauftemperatur um ca. 4K abgesenkt. Dies ergibt bei einer Heizlast von z.B. 887 W statt 1267 W (Heizkörper 2) eine Vorlauftemperatur von 58 °C.

Soll nun auch noch die Spreizung konstant gehalten werden ? Senken Sie einfach nur um ca. 3 K pro 10% weniger Heizlast ab. Das Ergebnis sehen Sie in der nachfolgenden Tabelle am Beispiel eines Heizkörpers  von 1155 Watt (Basis: 70/50°C)

Während bei einer Absenkung von 4K je 10% Heizlast sich die Spreizung reduziert, bleibt die Spreizung von 20K bei einer 3K Absenkung konstant.

Fazit: Nach einer Berechnung aufgrund bekannter Parameter sollte eine Heizungsanlage über die Anpassung der Heizkurve optimiert werden, gerade bei einer reduzierten Heizlast. Dies kann nur vom Anlagenbetreiber unter Berücksichtigung des Nutzerverhaltens durchgeführt werden, denn keine Anlage wird in der Praxis so betrieben, wie Sie berechnet wurde.

Bei einer nachträglichen Reduzierung der Heizlast und einem Heizwertgerät ist eine erneute Berechnung der Voreinstellwerte nicht mehr zwingend notwendig. Im Prinzip gilt dies auch unter rein hydraulischen Gesichtpunkten für ein neues Brennwertgerät. Trotzdem sollten in diesem Fall die auf den Wärmeerzeuger abzustimmenden Systemtemperaturen neu ermittelt werden, was schlussendlich zu anderen Voreinstellwerten führen wird.